Ermittlung der Habitateignung invasiver Pflanzenarten

Unsere Arbeit zur Ermittlung der Habitateignung für invasive Pflanzenarten in Deutschland basiert auf zwei grundlegenden Verfahren, die wir in zwei wissenschaftlichen Veröffentlichungen detailliert erläutert haben – zum einen der fernerkundlichen Klassifikation von Lebensraumtypen mithilfe von Satellitendaten, zum anderen der Habitatmodellierung, in der das Vorkommen der invasiven Pflanzenarten mit den Umweltbedingungen der von ihnen besiedelten Habitate in Zusammenhang gesetzt wird. Eine Kurzbeschreibung der verwendeten Methoden findet sich hier – die beiden Veröffentlichungen sind am Ende der Seite verlinkt.

Methodenbeschreibung

Im ersten Schritt haben wir Deutschland anhand von MODIS-Satellitendaten mit einer Auflösung von 500 Metern in verschiedene Lebensraumtypen eingeteilt. Hierbei haben wir ein Modell entwickelt, das natürliche und naturnahe Gebiete in 18 verschiedene Klassen einteilt, basierend auf ihrer Ähnlichkeit mit den Flora-Fauna-Habitat – Lebensraumtypen von Natura 2000. Um diese Klassifizierung durchzuführen, haben wir Verfahren aus dem Bereich des maschinellen Lernens eingesetzt, genauer gesagt die Methoden Support Vector Machines (SVM), Random Forests (RF) und C5.0. Diese Modelle wurden anhand von homogenen Natura-2000 Flächen trainiert, die hauptsächlich von einem einzigen Lebensraumtyp bedeckt sind. Die Klassifizierung wurde dann mit Validierungsdaten aus den Jahren 2010 und 2019 überprüft.

Methodisches Schema des Klassifizierungsprozesses.

Drei Machine-Learning-Algorithmen (SVM, RF, C5.0) werden in den Trainingsjahren 2013, 2014 und 2016 einzeln trainiert und getestet und dann mit unabhängigen Testsätzen validiert. Jede Modellkombination (Trainingsjahr und Methode) wird auf das Untersuchungsgebiet von 2010 bzw. 2019 angewandt, was zu 9 Vorhersagemodellen für jedes Testjahr führt, aus denen durch Mehrheitsbeschluss eine endgültige Klassenzuordnung hervorgeht (Sittaro et al. 2022)

Basierend auf der Klassifizierung von Lebensraumtypen haben wir in einem zweiten Schritt Modelle zur Habitateignung für die 46 invasiven Pflanzenarten erstellt. Dabei haben wir 18 Umweltvariablen berücksichtigt, darunter Bodentyp, Höhenlage, Landnutzung, Verkehrsinfrastruktur, Temperatur und Niederschlag.
Für die Modellierung haben wir ebenfalls maschinelles Lernen verwendet, diesmal die Techniken SVM und Boosted Regression Trees (BRT). In diese Modelle haben wir prognostizierte Klimavariablen für zwei Zeithorizonte (2041-2060 und 2061-2080) und drei Emissionsszenarien integriert, um Änderungen der Habitateignung unter zukünftigen Klimabedingungen zu bestimmen.
Die durch die Modelle erzeugten relativen Auftretenswahrscheinlichkeiten wurden dann in fünf „Habitateignungsklassen“ eingeteilt (ungeeignet, schwach geeignet, geeignet, gut geeignet, sehr gut geeignet), was eine robustere Vorhersage und eine klarere Darstellung in unseren Karten ermöglicht.

Überblick über die bei der Modellierung verwendeten Daten und Methoden.

Neben dem Lebensraumtyp, der aus der fernerkundlichen Klassifikation stammt, bilden Verbreitungsdaten, Umwelt- und Klimavariablen die Grundlage der Habitatmodelle (Sittaro et al. 2023).

Die für unsere Modelle verwendeten Vorkommensdaten basieren auf floristischen Kartierungen, die von Freiwilligenexperten, Universitäten und Naturschutzbehörden zur Verfügung gestellt wurden (FLORAWEB). Die Standorte der Pflanzen sind Quadranten zugeordnet, deren Zellen eine Größe von 5 x 3 Bogenminuten haben. Dies entspricht einer durchschnittlichen Parzellengröße von 32,44 km² und einer Gesamtzahl von 11.573 Parzellen im Untersuchungsgebiet. Die zeitliche Auflösung der Datenbank besteht aus drei Zeitklassen: Vor 1950, 1950-1979 und nach 1980.

Je nach Region und räumlicher Auflösung kann eine Vielzahl von Umweltfaktoren zur Erklärung der Verbreitungsmuster von Pflanzenarten herangezogen werden. Wir haben daher eine breite Palette von Umweltvariablen verwendet, darunter die Höhe, den Bodentyp, Temperatur und Niederschlag, Landnutzung und potenziellen Ausbreitungskorridore in Form von Straßen, Bahnschienen sowie Flüssen und Kanälen. Auch die Auswirkungen bestehender Pflanzengesellschaften (Habitattyp) auf die Ausbreitung invasiver Arten wurden berücksichtigt. In Bezug auf Landnutzung, Habitattyp und Bodentyp wurden den Zellen die vorherrschenden Kategorien innerhalb des Quadranten zugeordnet. Für die Ausbreitungskorridore wurden den Zellen die jeweiligen Summen der Längen von Straßen, Bahnschienen und Wasserstraßen zugeordnet. Die Klimadaten entstammen der CHELSA-Datenbank, die Temperatur- und Niederschlagsmuster für verschiedene Zeiträume in einer Auflösung von 30 Bogensekunden zur Verfügung stellt.

Methoden aus dem maschinellen Lernen sind geeignet, um die Verbreitung invasiver Pflanzenarten zu modellieren und die relativen Einflüsse der zugrundeliegenden Umweltfaktoren zu bewerten. Klimafaktoren haben den größten Einfluss auf die Verbreitung invasiver Pflanzenarten in Deutschland, und viele invasive Arten haben ihr verfügbares Habitat unter den derzeitigen Klimabedingungen noch nicht vollständig besetzt.

Unsere Ergebnisse zeigen jedoch auch, dass selbst unter Berücksichtigung einer Reihe von Umweltfaktoren einige Einschränkungen in Bezug auf die Übertragbarkeit der Modelle auf vorhergesagte Klimaszenarien bestehen. Vorsicht bei der Interpretation der Ergebnisse ist zum Beispiel bei Arten geboten, deren Verbreitung besonders stark vom Menschen abhängen, sowie im Hinblick auf die oft komplexen Wechselwirkungen zwischen Klima und Landnutzung.

Unsere Modellierungsansätze liefern Einblicke in die potenzielle Eignung von Habitaten für invasive Pflanzenarten unter aktuellen und zukünftigen Klimabedingungen und können dazu beitragen, Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen auf breiter Ebene zu verbessern.

Hotspots invasiver Pflanzenarten in Deutschland

Die Anzahl der Arten, die einen potenziell geeigneten Lebensraum finden, wird für jeden Quadranten für aktuelle und prognostizierte Klimabedingungen dargestellt. Die Projektionen für zukünftige Klimaszenarien basieren auf dem Repräsentativen Konzentrationspfad 4.5 (Sittaro et al. 2023).

Veröffentlichungen

A Machine Learning Framework for the Classification of Natura 2000 Habitat Types at Large Spatial Scales Using MODIS Surface Reflectance Data.

Sittaro F., Hutengs C., Semella S., Vohland M.;
Remote Sensing. 2022; 14(4):823. https://doi.org/10.3390/rs14040823

Which factors determine the invasion of plant species? Machine learning based habitat modelling integrating environmental factors and climate scenarios.
Sittaro F., Hutengs C., Vohland, M.:
International Journal of Applied Earth Observation and Geoinformation
, 2023; 116. https://doi.org/10.1016/j.jag.2022.103158.